Fronleichnam,

Tradition & Brauchtum
Die schönsten Fronleichnamsprozessionen

Prozession der Schalkfrauen in Lenggries - Klick mich zum vergrössern Wo sich Frömmigkeit, Brauchtum und Dorfgemeinschaft vereinen

Altötting, acht Uhr morgens: Mehr als 5000 Menschen sind in der Basilika versammelt. Choräle erklingen, Gebete werden gesprochen, es riecht nach Weihrauch. Die festlich gekleidete Gemeinde lauscht den Worten von Stiftspropst und Stadtpfarrer Günther Mandl, der den Anfangsgottesdienst zur Fronleichnamsprozession in der wohl katholischsten Kleinstadt Europas hält, die zugleich als größter Wallfahrtsort im deutsprachigen Raum gilt. Altötting – das sind 13 000 Einwohner, 60 Priester, die zum Teil auch im Ruhestand noch Dienst tun und 20 bis 30 Messen, die täglich gelesen werden. Kein Wunder, dass auch die Fronleichnamsprozession,  zu den größten und ergreifendsten in Oberbayern zählt.

Direkt vor der Basilika ist der erste Altar aufgebaut, an dem der Guardian als oberster Kapuziner das Evangelium liest und den Segen spricht. Die Prozession schlängelt sich an mit Fahnen und Blumen geschmückten Häusern vorbei durch Kapuzinerstraße und Popengasse zum Institut der Englischen Fräulein. Hier am zweiten Altar spendet ein hoher Vertreter der Rupertus-Chorgemeinschaft den Segen, am Gedenkbrunnen ist es der Wallfahrtsrektor, vor der Gnadenkapelle Stiftspropst Günther Mandl. „Ich traue mich kaum, auf dem Weg zum Altar mit dem Allerheiligsten über den einzigartigen Blütenteppich zu schreiten, den die Pfarrjugend hier in der Nacht zuvor ausbreitet“, sagt der Pfarrer. Er ist seit 2002 hier und selbst noch beeindruckt von der besonders festlichen und ergreifenden Prozession in Altötting. Hinter dem Kreuz marschieren die kirchlichen und weltlichen Vereine, der Stadtrat und der Bürgermeister, die Priesterschaft in ihren schönsten liturgischen Gewändern, die Ministranten und die Kommunionskinder. Dahinter kommt der barocke Himmel, unter dem der segensspendende Pfarrer, bekleidet mit dem goldenen Rauchmantel, die Monstranz mit der Hostie trägt.

Das Fest der Verehrung des Leibes Christi, bei dem das Allerheiligste in Gestalt einer Hostie die Kirche verlässt und durch die Straßen geleitet wird, geht auf eine Vision der Ordensschwester Juliana von Lüttich zurück und wurde anno 1264 offiziell angeordnet. Bereits neun Jahre später fand die erste Prozession in Bayern statt – und zwar in Benediktbeuern. Seit 1273 zieht die Fronleichnamsprozession in tiefer Frömmigkeit durch die Stadt.

Feierliche Andacht in Saulgrub - Klick mich zum vergrössern Über die Jahrhunderte hinweg haben die Prozessionen in den verschiedenen Orten Oberbayerns eigene Charakteristika entwickelt. In Ruhpolding etwa genießen die Paktisten beziehungsweise der heutige Georgiverein das Vorrecht, den Himmel über dem Pfarrer zu tragen, während die Frauen der Trachtenvereine eine Madonnen-Statue mitführen. In Mittenwald darf die Junggesellenbruderschaft als ältester Verein mit haushohen Fahnen an der Prozession teilnehmen. In Lenggries ist es sogar eine 14,5 Meter hohe „Hochwürdig-Gut-Fahne“, die voran getragen wird. Sie diente in handylosen Zeiten nicht zuletzt der Kommunikation: Wurde die Fahne geschwungen, wussten der spähende Mesner und die Kanoniere, das es Zeit für Glockengeläut und Böller war. Das Abfeuern von Geschützen und Gewehrsalven wurde bereits nach dem 30-jährigen Krieg vielerorts eingeführt. Auf die unsicheren Zeiten damals ist es auch zurückzuführen, dass Schützen mit von der Partie sind. Die Häuser  werden mit Birkenzweigen und Blumen geschmückt.

Auch die Tragmadonna Maria Immaculata zählt zu den Besonderheiten. Die von Ignaz Günther, einem der bedeutendsten Bildhauer des bayerischen Rokoko geschnitzte Gliederpuppe steht das Jahr über im Heimatmuseum und wird Fronleichnam von Mädchen in Rosenkranztracht getragen. Und obwohl Altötting und Neuötting fast zusammengewachsen sind, finden die Prozessionen wie auch viele andere Aktivitäten der Kirchen und Vereine nach wie vor getrennt statt.

Übrigens: In früheren Zeiten wurden Mitwirkende der Fronleichnamsprozession entlohnt. Anno 1764 erhielten die Messdiener für ihren Einsatz fünf Maß Wein und der Träger der großen Fahne 30 Kreuzer.

Weil Kirche und Wirtshaus in Bayern nah zusammen liegen, trifft man sich anschließend vielerorts zum Frühschoppen. „Wir in Altötting gehen nach der Prozession zur Hofdult und essen gemeinsam zu Mittag“, erklärt Stadtpropst Günther Mandl, der sich über die hervorragende Kooperation zwischen Kirche und Stadt im Herzen Bayerns freut. Die Hofdult ist ein traditionelles Volksfest, das bereits seit 750 Jahren gefeiert wird