Missionsprojekt: Kinderdorf Guarabira

Padre Geraldo – ein Leben mit und für Straßenkinder in Brasilien

Pfarrer Gerd Brandstetter, geboren 1935 in Neuötting/Oberbayern,

lebt und arbeitet seit 1969 in Brasilien.

Seine missionarische Laufbahn begann er in Bahia

und setzte sie zwanzig Jahre später in Paraiba fort.

Dort nahm er in der Stadt Guarabira seine Tätigkeit als Jugendseelsorger auf

und wurde bald Pfarrer in mehreren Kirchen,

Vizepräsident des Jugendamtes, Diözesan-Koordinator der Jugendpastoral,

Mitglied des Nationalen Rates der Kinderpastoral Brasiliens

und schließlich Leiter des Kinder- und Jugenddorfes "Padre Ipiabina".

Für seine Verdienste an den Menschen in Guarabira

erhielt Padre Geraldo 1999 den Ehrenbürgertitel der Stadt.

Brasilianischer Bischof zu Besuch

 

Hohen Besuch für den Kinderdorf-Verein, der das Straßenkinderprojekt des Neuöttinger Missionars Gerd Brandstetter in Guarabira in Nordbrasilien unterstützt. Der Bischof von Guarabira,

Dom Antonio Muniz.  Zum Kinderdorf gehören auch eine Schule, ein Kindergarten, Werkstätten und eine kleine Landwirtschaft. Über 200 Kinder sind dort in der Obhut »Padre Geraldos«, wie Gerd Brandstetter von allen genannt wird.

Straßenkinderdorf Guarabira

 

Einblicke in konkrete Sozialarbeit: Straßenkinderdorf Guarabira in Brasilien

Patenschaft der FOS/BOS Passau für Brandstetter-Projekt

Padre Geraldo Brandstetter und drei Missionare auf Zeit berichteten  über ihre persönlichen Erfahrungen.

 

Außerdem schilderte der 21-jährige Janilson Ramos de Oliveira detailliert sein früheres Leben im Kinderdorf und komplettierte somit das Bild aus dem Blickwinkel des Betroffenen.

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Seit 17 Jahren existiert das Projekt Kinderdorf Guarabira im Südosten Brasiliens. Im Gegensatz zu den Wirtschaftszentren Sao Paulo und dem Süden Brasiliens wird der Nordosten im Hinblick auf Infrastruktur, Wirtschafts- und Bildungspolitik eher vernachlässigt. Deshalb gibt es insbesondere in den Randgebieten der großen Städte – Guarabira zählt über 100.000 Einwohner – und auf dem Lande eine hohe Arbeitslosigkeit und viel Armut. Kindergärten und Schulen sind zu wenig vorhanden bzw. unterversorgt. Staat und Kirche stehen den armutsbedingten Auflösungserscheinungen der Familien hilflos gegenüber. Brandstetter erzählt über die Gründung des Kinderdorfes auf dem „Sitio Padre Ibiapina“. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Gefängnisseelsorger hatte ein jugendlicher Gefangener Vertrauen zu ihm gefasst und den zuständigen Richter dazu gebracht, dass er in die Freiheit entlassen würde, wenn Brandstetter die Verantwortung für den Delinquenten übernähme. Brandstetter sagte zu und nahm seinen ersten Schützling in seine Wohngemeinschaft auf. Er sorgte sich um dessen Lebensunterhalt, um dessen schulische Grundbildung um dessen Arbeitsmöglichkeiten. Andere Jugendliche folgten nach – teilweise kamen sie aufgrund von Mundpropaganda, teilweise auch auf richterlichen Beschluss. Die Gemeinschaft wuchs und wuchs und somit war die Notwendigkeit zu einer stärkeren Verankerung des Projekts und zur Schaffung der notwendigen Infrastruktur gegeben. Dankbar erinnert Brandstetter an die finanzielle Unterstützung, die er durch Freunde und Bekannte aus dem Passauer Raum erfuhr und die es ihm ermöglichte, Baumaßnahmen durchzuführen und eine Belegschaft aufzubauen. Träger der Einrichtung ist inzwischen ein eingetragener Verein, der aber weiterhin auf tatkräftige Hilfe insbesondere auch aus der bayerischen Heimat Brandstetters angewiesen ist.

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Zurzeit leben rund 60 männliche Jugendliche im Alter von 5 bis 18 Jahren in dem Dorf. Die Jüngeren erhalten im Dorf ihre schulische Grundbildung, die Älteren besuchen weiterführende Klassen in der Stadt, alle arbeiten sie auch mit in den Betrieben des Dorfes, der Schreinerei und der Gärtnerei. Sie erleben und erfahren Gemeinschaft und Geborgenheit im Alltag, beim Essen, beim Spiel und bei den religiösen Angeboten. Brandstetter macht deutlich, dass das Projekt darauf abzielt, dass die Jungen auch (weiterhin) den Kontakt zu ihren Herkunftsfamilien pflegen, denn sie sollen nicht den Familien entrissen werden, sondern letztlich wieder zu ihren Familien zurückkehren und dort stabilisierend auf die Familienstrukturen und auf die Sozialisation der anderen Familienmitglieder wirken. Insgesamt konnten seit 1990 bis heute rund 260 Kindern und Jugendliche im Dorf geholfen werden. Der heute 21jährige Janilson ist der lebendige Beweis für eine erfolgreiche Sozialarbeit. Er kam mit 12 Jahren in das Kinderdorf und verblieb dort bis zu seiner Volljährigkeit. Mit warmherzigen Worten erzählt er von seiner Jugendzeit im Dorf, von seiner innigen Beziehung zu Padre Geraldo und zu dessen Mitarbeitern. Im Augenblick ist er Au-pair bei der Familie Karin und Bernhard Krinninger in Hauzenberg. Er spricht schon recht gut Deutsch und taucht durch seinen Aufenthalt in eine ganz andere Welt ein. In der kirchlichen und weltlichen Gemeinde ist er nicht zuletzt auf Grund seiner Aufgeschlossenheit bestens integriert.

guarab-12 Zwei der drei anwesenden „Missionare auf Zeit“ waren ehemalige Passauer FOS-Schülerinnen, die sich nach ihrer Fachhochschulreife für ein halbes Jahr auf das Abenteuer Brasilien und auf konkrete Sozialarbeit einließen. Übereinstimmend berichten sie alle vom Kulturschock, den sie erlebten, von der individuellen Besinnungsphase in Brasilien, die sie alle durchlebten, bis sie wussten, welchen Arbeitsschwerpunkt sie entsprechend ihrer Anlagen und Neigungen setzen wollten, vom persönlichen Reifungsprozess, von den bereichernden persönlichen Kontakten mit den Kindern, den Jugendlichen und den anderen Mitarbeitern, von tiefgehenden Erfahrungen auch im Glaubensbereich.

Auch wenn die von kirchlichen Programmen Entsandten als „Missionare auf Zeit“ tituliert werden, eine starke konfessionelle Gebundenheit ist keine Notwendigkeit für die Teilnahme Dies beteuern die Brasilienheimkehrer und auch Padre Geraldo pflichtet bei, dass nicht die Kenntnis des Katechismus, sondern das Herz am richtigen Fleck und der Wille zu helfen ausschlaggebend seien. Brandstetter setzt ohnehin auf Eigeninitiative und Eigenverantwortlichkeit des Handelns seiner Mitarbeiter – und er verfährt gut damit, denn in fast jedem Jahr ergreifen zwei oder drei junge Menschen aus seiner alten Heimat –seit September wiederum ein ehemaliger FOS-Schüler – die Möglichkeit, anderen und auch sich selbst durch konkrete Sozialarbeit in Brasilien zu helfen und sich gegenseitig zu bereichern.

Der 72-jährige Brandstetter ist nach wie vor Dreh- und Angelpunkt des Projekts Guarabira. An Ruhestand denkt er noch nicht und auch wir hoffen, dass er seine Arbeit noch lange mit seiner Agilität, mit seinem offenen Herzen und seiner großen Menschlichkeit fortsetzen kann, damit er jungen Brasilianern, welche die Schattenseiten des Lebens erfahren mussten, Heimat geben und jungen Menschen aus Wohlstandsgesellschaften sinnstiftende Wege aufzeigen kann. Deshalb verpflichteten sich anlässlich des Besuchs von Padre Geraldo Brandstetter Lehrerschaft und Schülermitverwaltung der FOS/BOS Passau, das Straßenkinderprojekt Guarabira durch die Übernahme einer Patenschaft auch in der Zukunft weiterhin finanziell zu unterstützen. guarab-13

Weitere Informationen über das Kinderdorf unter www.amecc.org.

Dr. Reinhold Haggenmüller und Bernhard Krinninger

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